Ich gebe es nicht gern zu, aber ich hatte schon oft Sex mit Kundinnen. Ich kann nicht einmal sagen, warum – vielleicht war ich einfach nur jung; vielleicht lag es auch an dieser Stadt, denn New York ist ein seltsames Pflaster zum Daten; oder aber es war die hemmungslose Moral der Design- und Werbewelt. Ich war bei weitem nicht der Einzige, dem es so erging. Meine Kollegen knallten auch eine nach der anderen. Natürlich stellten wir uns bald die Frage nach möglichen negativen Konsequenzen, wenn man mit der Geschäftspartnerin ins Bett steigt. Schließlich überlegt man sich ja auch genau, ob man eine Affäre mit seiner Bürokollegin anfängt. Ist Sex mit Kunden eine gute Idee? Um es kurz zu machen: Nein, aber…

Wenn man beim Kommen das Gehen vergisst
Es war schon Freitagabend als noch ein kurzfristiger Auftrag reinkam und ich versuchte einen meiner Designer, mit dem ich zuvor noch auf einem Branchentreff war, zu erreichen. Da er nicht ans Telefon ging, hinterließ ich ihm eine Nachricht. Ich brauchte die Entwürfe schon am Montag, da der Auftrag am Dienstag fertig sein musste. Ich wartete vergebens auf den Rückruf. Am Samstag versuchte ich es wieder, und wieder, und wieder… Langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen, da es so gar nicht zu ihm passte, sich nicht zu melden. Ich machte mir auch um den Auftrag Sorgen.
Ich versuchte es Sonntag noch mal – mehrmals. Es kam nichts. Er muss tot sein, dachte ich mir. Schließlich war das hier New York und da konnte sowas schon mal passieren. Doch dann klingelte plötzlich das Telefon. Es war die Art-Direktorin von Freitagabend, mit der wir nett geplaudert hatten. Sie erzählte mir, sie hätte meinen Designer entführt und würde ihn nun als Sexsklaven halten.
Dann gab sie ihm das Telefon. Er hatte meine Nachrichten abgehört und entschuldigte sich, nicht geantwortet zu haben, weil er in den letzten 72 Stunden als Sexspielzeug benutzt wurde. Er versicherte mir jedoch, dass die Entwürfe bis Montagmorgen fertig sein würden.
Das eigentlich Interessante an dieser kleinen schmutzigen Geschichte war, dass uns die Dame anschließend mit Aufträgen versorgte – zumindest solange sie alles von ihrem Sklaven bekam, was sie wollte. Für sie waren das Dates. Für ihn war sie nur ein „Notnagel“, falls auf dem nächsten Branchentreff nichts Besseres zu bekommen war.
Da sie meine Kontaktdaten hatte, musste ich immer öfter für meinen Angestellten einspringen. Nichtsdestotrotz erhielten wir von ihr Aufträge. Wann immer sie einen Designer brauchte, stand er seinen Mann.
Hoch mit dem … Zeigefinger: Ist es unmoralisch, Sex mit Kunden zu haben?
Ich war in dieser Hinsicht immer etwas vorsichtiger. Es gab aber Angebote, denen konnte ich einfach nicht widerstehen. Verstehen Sie mich nicht falsch – ich bin ein Gentleman und habe Geschäftsbeziehungen nie im Bett begonnen. Teil meines Jobs war es, Kunden an die Agentur zu binden. Oft aßen wir gemeinsam zu Mittag – mit Bestandskunden, um mich bei ihnen zu bedanken; mit neuen Kunden, um sie für die Agentur zu gewinnen. Unzählige Male erhielt ich dabei sehr offensichtliche Auftrag-gegen-Sex-Angebote: „Wollen Sie weitere Aufträge? Dann kommen Sie rein!“ Es gab aber auch durchaus subtilere Aufforderungen wie: „Hose runter!“

Eine Stammkundin, mit der ich ab und zu Mittagessen war, erzählte einer gemeinsamen Freundin, dass sie nicht wisse, „wie sich unsere Beziehung entwickelt“.
Ich hatte ja keine Ahnung, dass sie uns in einer Beziehung sah, denn es gab keinerlei körperliche Annäherung. Es war alles rein professionell – dachte ich zumindest. Die Aufmerksamkeit, die ich ihr schenkte, löste bei ihr anscheinend ein Gefühlschaos aus. Schließlich suchte sie sich einen neuen Job und zog weg. Weit weg. Ich musste mich der Sache nie stellen. Eine unerwiderte Liebe kann eine Geschäftsbeziehung genauso schnell ruinieren wie eine verschmähte.
Egal, was Sie alle jetzt von mir halten – ich kann auch charmant sein. In einer Stadt, in der ein Großteil der Menschen mit emotionalen Problemen zu kämpfen hat und in der es kaum möglich ist, andere kennenzulernen, war ich derjenige, der nach den Mittagessen oft gegen eine Taxitür gedrückt wurde und eine fremde Zunge im Hals hatte. Die Message war klar, aber ich bestand stets auf mindestens einem romantischen Abendessen (da bin ich noch sehr traditionell), bevor wir bumsten.
Abgesehen vom Sex und den immer etwas peinlichen Situationen auf den Branchentreffs, wenn mehr als eine Geliebte auftauchte, gab es noch einen erheblichen Vorteil: Wir bekamen eine Fülle an neuen Aufträgen zu höchstmöglichen Preisen. Immer wieder musste ich meinen gut zwölf Designern und Grafikern auf Events den Rücken freihalten. Manchmal kam ich mir vor wie ein Zuhälter, der Reporterfragen nach den neuesten Politikergeliebten ausweicht.
Es dreht sich jedoch nicht nur um Sex. Wenn Mann und Frau sich treffen, kann Liebe entstehen, vor allem, wenn sie zusammen an einem großen Projekt arbeiten. In meiner ehemaligen Firma habe ich mit Kolleginnen an vielen großen Projekten gearbeitet. Die vielen Stunden, die wir gemeinsam verbrachten, führten zu zwanglosen Gesprächen und man fand einiges über den anderen heraus. Anziehung kann zu Bewunderung und sogar Liebe führen.
Das passiert sogar recht häufig. Oft verlieben sich Chef(in) und Assistent(in). Manche gehen sogar so weit zu heiraten. In den meisten Unternehmen müssen Angestellte, die untereinander eine Beziehung führen, eine Vereinbarung unterschreiben, damit es später – sollte die Beziehung doch scheitern – keine Anzeige wegen sexueller Belästigung gibt. Unternehmensinterne Liebschaften werden zwar geduldet. Oft werden die Kollegen jedoch voneinander getrennt, sofern sie in derselben Abteilung arbeiten.
Einige Berufsgruppen, wie Anwälte oder Therapeuten, verbieten per Gesetz Beziehungen mit Klienten. Wer sich nicht daran hält, kann seine Lizenz verlieren und muss im schlimmsten Fall sein Dasein hinter schwedischen Gardinen fristen. Designer gehören glücklicherweise nicht dazu. Wir können alles vögeln, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, vorausgesetzt natürlich, es geschieht einvernehmlich. Ich kannte einige Designer (meistens waren es Grafiker, denn das sind die eigentlichen Perversen), die hätten es sogar mit Tieren getrieben, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätten. In einigen Staaten der USA ist das ja verboten. In den Südstaaten wird es sogar unterstützt.
Die Vorteile

1. Es ist SEX!
2. Sie haben regelmäßig Sex. Ihr Körper und das Tier in Ihnen schütten „Ich bin ein paarungsbereites Alphatier“-Pheromone aus, die das andere Geschlecht anlocken und heiß machen. Die Folge: NOCH MEHR SEX!
3. Sex hält jung und fit – was wiederum zu mehr und besserem Sex führt!
4. Sie bekommen Aufträge von Ihrem Lover und verdienen jede Menge Geld.
5. Ihr Sexpartner wird tratschen und ihre/seine Kollegen werden auch Sex mit Ihnen haben wollen – sie bekommen also noch mehr Aufträge. In einer großen Werbeagentur kann man sich jahrelang durchschlafen, eine Karriere aufbauen und früh in Rente gehen… was dann auch nötig sein wird, um sich von dem ganzen Sex zu erholen.
Die Nachteile
1. Manche Menschen sehen angezogen einfach besser aus. Sich vor einem nackten Kunden übergeben zu müssen, kann extrem teuer sein, wenn man bedenkt, wie viele Aufträge einem durch die Lappen gehen.
2. Ist es vorbei, betrifft das auch die regelmäßigen Einnahmen.
3. In einer kleinen Branche hat man sich schnell einen gewissen Ruf erarbeitet, hoffentlich nicht in Verbindung mit einem Spitznamen wie z. B. „Herpinator“ oder „der Kurze“.
4. Kunden können von ihren Arbeitgebern wegen einer solchen Beziehung gefeuert werden. Ihnen brechen die Einnahmen weg, aber dafür haben Sie einen Lover, der bei Ihnen einziehen will, da er/sie keinen Job mehr hat und sich keine eigene Wohnung leisten kann.
5. Wenn es vorbei ist, werden Branchentreffs zu wahren Spießrutenläufen mit ehemaligen Liebschaften und einer Vielzahl handlicher und sehr gefährlicher Käsemesser, sowie brennbarer Trockenspiritusbehälter.
Wägen Sie ab, bevor Sie handeln
Weder die positiven noch die negativen Aspekte überwiegen ganz eindeutig. Deshalb sollten Sie die Folgen einer Beziehung zu einem Kunden oder Mitarbeiter genau abwägen.
1. Die meisten bleiben 1–3 Jahre in ihrem Job. Wenn Ihr Sexpartner aufhört, können Sie also nahtlos mit dem Ersatz weitermachen.
2. 1–3 Jahre sichere Einnahmen durch Ihren Sexpartner halten Sie in schlechten Zeiten ohne regelmäßige Einnahmen etwa 3–6 Jahre über Wasser, vorausgesetzt, Sie haben das Geld klug investiert.
3. Wenn Ihr Sexpartner einen neuen, besseren Job beginnt, können Sie dadurch weitere Erfahrung sammeln und Ihr Portfolio aufbessern.
4. Sie können für den Sexpartner-Ersatz UND die neue Firma Ihres Sexpartners arbeiten und damit doppelt so viel wie zuvor verdienen. Allerdings halbieren sich dann Ihre Schlafzeiten.
5. Möglicherweise finden Sie DEN EINEN besonderen Menschen und heiraten – muahahaha.
Fazit
Diese Geschichte habe ich natürlich mit einem Augenzwinkern geschrieben, und doch steckt ein Fünkchen Wahrheit drin, das für Selbständige gefährlich werden kann. Unglücklicherweise ist sexuelles Verlangen unter Männern und Frauen in Führungspositionen eher die Regel als die Ausnahme. Es gibt keine einfachen Ratschläge oder Regeln, die man befolgen kann, außer: „Lass ihn in der Hose, wenn möglich!“
Sex ist das Natürlichste und Schönste auf der Welt. Doch Männer sind Schweine und verhalten sich meist auch so. Frauen hingegen, auch wenn sie der Aggressor in einer Sexbeziehung sind, bauen eine emotionale Bindung zu ihrem Lover auf. Oft finden solche Beziehungen ein schmutziges und böses Ende. Es sind immer verletzte Gefühle im Spiel. Ist es das wirklich Wert, für Sex einen Kunden zu verlieren? Die Therapeutin Lisa Shield sagt, dass Männer beim Thema Sex anders gestrickt sind als Frauen. Was für Sie nur Sex ist, ist für Ihr Gegenüber vielleicht mehr und das bedeutet immer Ärger:
Für Männer kann Sex einfach nur ein körperlicher Akt sein. Damit will ich auf keinen Fall sagen, dass Männer nicht auch das Körperliche und Emotionale verbinden können, aber anders als Frauen, können sie beides voneinander trennen und „hobbymäßig“ Sex haben, ohne sich binden zu wollen.
Was die Sache weiter verkompliziert, ist, dass Männer und Frauen sich untereinander scheinbar nicht verständigen können. Frauen werden sauer, wenn Männer emotionslos bleiben und sich nicht binden wollen. Männer werden sauer, wenn Frauen Gefühle für sie entwickeln, wo sie ihnen doch von Anfang an gesagt haben, dass daraus nichts ernstes wird.
Viele Frauen machen den Fehler zu glauben, dass nur weil sie über die Zeit Gefühle für einen Mann entwickeln können, es ihnen die Männer irgendwann gleichtun werden. Meiner Erfahrung nach wissen die meisten Männer sofort, ob sie tiefere Gefühle für eine Frau haben und sich mehr als nur Sex vorstellen können. Kaum einer meiner männlichen Klienten hat sich langsam verliebt. Sie wissen gleich, ob Interesse für mehr vorhanden ist.
Junge Menschen sind herrlich unbedarft und machen Fehler, wenn ihr Gehirn mal wieder in die Hose rutscht. Selbst die unschuldigsten, nett gemeinten Gesten oder Handlungen können missverstanden werden. Ich habe mal einer neuen Kundin Blumen zu ihrem Geburtstag geschickt, um mich gleichzeitig für ein Geschäft zu bedanken. Sie schrie mich an, ich hätte sie vor ihren Kollegen in Verlegenheit gebracht. Hey, es waren nur Blumen und keine Dildokollektion! Das Ergebnis war jedoch das gleiche: Ich habe eine Kundin mit viel Potential und internationaler Vernetzung verloren. Vielleicht hätte ich ihr besser einen Obstkorb oder Dauerwurst schicken sollen!

Eine andere Kundin schrieb mir mal einen sehr persönlichen Dankesbrief, den ich komplett missverstanden habe. Als ich sie daraufhin ausfragte, war sie schockiert und erklärte mir, dass sie einen Freund hätte. Wir waren beide peinlich berührt, was schließlich zum Ende unserer Geschäftsbeziehung führte. Sicher, Kunden kommen (das ist jetzt nicht zweideutig gemeint!) und gehen , aber warum tun uns das unsere animalischen Instinkte nur an? Heutzutage ist es ziemlich hart (auch das ist nicht zweideutig gemeint!) an Aufträge zu kommen und wesentlich einfacher einen Sexpartner zu finden. Seien Sie professionell und üben Sie sich in Askese, wenn Sie das nächste mal mit Kunden zu tun haben… auch wenn es manchmal schwerfällt! Und verstehen Sie um Himmels Willen bitte das Wort „Freelancer“ nicht falsch!
Bilder ©GL Stock Images
Der Autor:
Speider Schneider is a former member of The Usual Gang of Idiots at MAD Magazine, “among other professional embarrassments and failures.” He currently writes for local newspapers, blogs and other web content and has designed products for Disney/Pixar, Warner Bros., Harley-Davidson, ESPN, Mattel, DC and Marvel Comics, Cartoon Network and Nickelodeon among other notable companies. Speider is a former member of the board for the Graphic Artists Guild, co-chair of the GAG Professional Practices Committee and a former board member of the Society of Illustrators. He also continues to speak at art schools across the United States on business and professional practices. Follow him on Twitter @speider.
(dpe)